geschrieben am 30. März 2017, geändert am 6. August 2017
Alle wollten dabeisein, als Dr. Walter Rothschild sein Amt als Rabbiner der jüdischen liberalen Gemeinde Or Chadasch in Wien "in jüngere Hände" übergab, und zwar an Lior Bar-Ami (geboren als Peter Blase in Westfalen): Nicht nur Israels Botschafterin in Österreich Talya Lador-Fresher war erschienen, sondern auch Dr. Ariel Muzicant, Ehrenpräsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien und einer der Vizepräsidenten des Jüdischen Weltkongresses. Auch dabei: Der Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs in Potsdam Professor Dr. Walter Homolka, der zugleich - wie es in dem bei der Veranstaltung verteilten Heft heißt - auch "Ehrenrabbiner" von Or Chadasch Wien ist. Homolka dankte Rabbi Rothschild für dessen 13jährige Amtszeit bei Or Chadasch - und reichte ihm anschließend die Hand.
Der "alte" Rabbi Rothschild hatte seine Rabbiner-Ausbildung am Leo-Baeck-College in London erhalten, während der "neue" Rabbi Bar-Ami sich am Potsdamer Geiger-Kolleg auf den Rabbiner-Beruf vorbereitete. Während des Gottesdienstes war es nicht erlaubt, die Reden aufzuzeichnen; deshalb hier nur ein Gedächtnisprotokoll von Rothschilds Rede, das nicht den exakten Wortlaut wiedergeben kann:
Rede von Rabbi Walter Rothschild am 27. März 2017 in der Synagoge von Or Chadasch in Wien gegen 15.30 Uhr:
"Gerne begrüße ich die Ehrengäste. Jeder hier ist Ehrengast, egal ob er einen Staat, eine Gemeinde vertritt oder einfach sich selbst. In diesem Sinn sind alle gleich.
Für mich ist heute ein ambivalenter Tag. Ich habe ein lachendes und ein weinendes Auge. Ich habe hauptsächlich glückliche Jahre hier verbracht.
Es ist schwierig gewesen für Or Chadasch, bis heute weiterzumachen. Or Chadasch ist eine Gemeinde, arm, klein und isoliert. Wir sollten dankbar sein, dass es diese Gemeinde gibt, und wir sollten stolz sein auf diese kleine Gemeinde. Die meisten wissen nicht, wie viele Krisen, Mini-Krisen und potentielle Krisen es hinter den Kulissen gab, die wir überstehen mussten. Ich sage immer: Bei Or Chadasch gibt es noch nicht einmal zwei Mitglieder, die die gleiche Meinung haben. Dennoch wurde hier viel gearbeitet. Es war oft schwer, Helfer zu finden, damit die Gemeinde weitermachen kann. Denn es gab viel Arbeit, und diese Arbeit musste getan werden. Seien wir stolz auf Or Chadasch. Ich sehe jetzt viele Noch-Nicht-Mitglieder. Wenn Noch-Nicht-Mitglieder Mitglieder werden wollen - und damit meine ich auch die jüdischen Noch-Nicht-Mitglieder -, so können wir das organisieren.
Was ist ein Jude ? Ein Jude ist ein Mensch, der „Auf Wiedersehen !“ sagt, aber dableibt. So sage auch ich „Auf Wiedersehen !“, obwohl ich noch einige Termine bei Or Chadasch habe. Aber jetzt ist die Zeit gekommen, mein Amt in jüngere Hände zu geben. Viele Gemeinden haben das noch nicht gelernt – ich spreche von Deutschland, nicht von Österreich.
(Rothschild nimmt die Tora auf die Schulter.)
Lior, Sie übernehmen jetzt das Amt des Rabbis. Es ist kein Geheimnis, dass ich meine Institution höher schätze als Ihre Institution. Ich muss kein Prophet sein, um zu sagen, dass Ihnen schwere Zeiten bevorstehen. So geht es jedem Rabbi. Es gibt Phasen, wo man sich als Rabbi nicht verstanden, wo man sich verlassen fühlt. Was einem in diesen Zeiten hilft, ist nicht die Beschäftigung mit Gemeindepolitik, und es sind auch nicht die Medien. Was einem dann hilft, ist nur hier.
(Rothschild klopft auf die Tora. Er übergibt Lior Bar-Ami die Tora.)
So sage ich jetzt: 'The problem is now yours.' (...)"
(Marie Josenhans, 1855-1926, deutsche Sozialarbeiterin und Sozialpolitikerin)
Projekte für die Öffentlichkeit.
Soonim SHIN
Magistra Artium (M. A.)
Staatlich anerkannte
Diplom-Sozialarbeiterin (FH)
Kaiser-Karl-Ring 6
D-55118 Mainz
Robertgasse 1
A-1020 Wien
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