"Die Jugend" (Zeichnung von Arpad Schmidhammer, 1857-1921, für die Münchner Zeitschrift "Die Jugend")
"Die Jugend" (Zeichnung von Arpad Schmidhammer, 1857-1921, für die Münchner Zeitschrift "Die Jugend")

"Unseren Hass den könnt Ihr haben"

Slogan ruft nicht zu Gewalt auf

Am Freitag, den 24. Januar, fand in Wien der sogenannte "Akademikerball" statt, das Treffen der europäischen Rechtsextremen. Dagegen wurde von der Initiative "No WKR" (Nein zum "Wiener Korporationsring") demonstriert. Die Initiative hatte auf ihrer Webseite "nowkr.at" zur Demo aufgerufen; auf dieser Seite war das Motto "Unseren Hass den könnt Ihr haben" zu lesen. Die "Jungen Grünen", die Jugendorganisation der österreichischen Grünen, hatten diese Webseite der "No WKR"-Initiative zur Verfügung gestellt. Am 24. Januar entstand in Wien erheblicher Sachschaden. Die Grünen in Österreich diskutieren nun unter anderem darüber, ob es in Ordnung war, den Slogan "Unseren Hass den könnt Ihr haben" auf der Webseite der "Jungen Grünen" zu veröffentlichen.  

 

Am Dienstag, den 28. Januar, schreibe ich den österreichischen Grünen diesen Brief:

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

ich habe den Eindruck, dass sich die Diskussion in Ihrer Partei an dem Slogan „Unseren Hass den könnt Ihr haben“ auf der Seite nowkr.at entzündet hat.

 

Auf der Seite fand ich neben diesem Slogan noch: „Den Akademikerball unmöglich machen“. Sind diese beiden Slogans Aufrufe zur Gewalt? Nein. Und weitere Inhalte, die Aufrufe zur Gewalt sein könnten, habe ich auf der Seite nicht gefunden.

 

„Den Akademikerball unmöglich machen“ kann ja bei realistischer Betrachtung gar nicht in dem Sinne gemeint sein, den „Ball“ zu verhindern: Es muss jedem Demonstranten klar sein, dass eine Demonstration dieses Treffen nicht stoppen kann. Ich verstehe den Spruch vielmehr im Sinne der Redewendung „sich unmöglich machen“: Den Akademikerball „unmöglich machen“, heißt, nicht die ausgebreitete Hochglanz-PR hinzunehmen, sondern den Ball demaskieren als das, was er ist: Eben DIE internationale Show der rechten und ultrarechten Szene.

 

Auch der andere Slogan „Unseren Hass den könnt Ihr haben“ ruft, wie schon gesagt, nicht zur Gewalt auf. Das wird deutlich, wenn ich diese zwei Fragen beantworte: Ist der Hass immer etwas Schlechtes ? Und führt Hass immer zu Gewalt?

 

Wir müssen uns, denke ich, von der Vorstellung lösen, dass Hass immer etwas Schlechtes und daher inakzeptabel sei. Weder das Alte Testament noch die moderne Psychologie verbieten jeglichen Hass. Im Alten Testament heißt es in dem Text „Alles hat seine Zeit“ (oder „Ein jegliches hat seine Zeit“): „Es gibt eine Zeit zu lieben, und es gibt eine Zeit zu hassen“ (Buch Kohelet 3,8). Psalm 139 sagt: „Ich hasse ja, Herr, die dich hassen, und es stößt mich ab an ihnen, dass sie sich Dir entgegenstellen. Ich hasse sie wirklich; sie sind meine Feinde.“

 

Und Erich Fromm unterscheidet zwischen „reaktivem Hass“ und „charakterbedingtem Hass“: Nach Fromm kann nur derjenige mit Hass auf Bedrohungen seiner Ideale reagieren (also „reaktiv hassen“), der überhaupt Ideale hat. Die anderen hassen nur „charakterbedingt“, ohne einen echten Grund zum Hass (wie er etwa in der Bedrohung der eigenen Ideale liegen kann) zu haben. Bei entsprechender Bedrohung des Ich ist der „reaktive Hass“ für Fromm eine normale Reaktion des lebensbejahenden Menschen; Fromm verurteilt diese Reaktion nicht. In einem Satz gesagt: Mit Grund darf der Mensch hassen.

 

Oder soll es etwa verwerflich sein, zum Beispiel die Diktatur zu hassen? Jeder echte Demokrat wird sagen, dass er die Diktatur hasst, und er hat das Recht dazu.

 

Hass ist also nicht unbedingt etwas Schlechtes. Wenn der Hass aber nicht immer schlecht ist, dann ist auch klar, dass dieser Hass nicht zu moralisch fragwürdigen Haltungen wie Gewalt führen muss: Der Hass ist eben nicht die „schiefe Bahn“, die immer in Gewalt mündet. Menschen, die „reaktiv hassen“, können (und sollen) auf die Bedrohung des Ich und seiner Ideale mit wohlüberlegter friedlicher Re-Aktion antworten, anstatt mit Gewalt.

Der Slogan „Unseren Hass den könnt Ihr haben“ ist daher kein Spruch, der automatisch zur Gewalt aufruft. Ich verstehe deshalb die Aufregung um den Slogan nicht. Auf der Internetseite nowkr.at wurde nicht zur Gewalt aufgerufen – und das ist, wenn es um die Webseite geht, entscheidend.

 

Diesen Brief stelle ich auf meine Seite: www.mariejosenhans.net

 

Freundliche Grüße

 

Soonim Shin

Marie Josenhans Institut

(Marie Josenhans, 1855-1926, deutsche Sozialarbeiterin und Sozialpolitikerin)

 

Projekte für die Öffentlichkeit. 

 

 

 

 

Soonim SHIN

 

Magistra Artium (M. A.)

 

Staatlich anerkannte

Diplom-Sozialarbeiterin (FH)

 

 

Kaiser-Karl-Ring 6

D-55118 Mainz 

 

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A-1020 Wien

 

 

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Soonim Shin