"Die Jugend" (Zeichnung von Arpad Schmidhammer, 1857-1921, für die Münchner Zeitschrift "Die Jugend")
"Die Jugend" (Zeichnung von Arpad Schmidhammer, 1857-1921, für die Münchner Zeitschrift "Die Jugend")

Ver-rückter Stein von Goldegg - Teil 2

Zwei Vermutungen, warum der Stein von Goldegg ver-rückt wurde - und eine Klarstellung

Ein Zwischenruf - am 26. August 2014

 

Der Goldegger Gedenkstein sollte in den Innenhof des Schlosses. Das wollte nicht nur Frau Hoefert so, auch der Goldegger Kulturverein war am Anfang dafür. Warum der Gedenkstein „ver-rückt" wurde, jetzt also woanders liegt, dafür wurden einige Gründe genannt, die nicht besonders überzeugend klangen.

 

Zwei Punkte wurden – jedenfalls in der Öffentlichkeit – noch nicht genannt. Sind es diese beiden Punkte, die für das Gedenkstein-Veto der Gemeinde sorgten?

 

Punkt 1: Kaspar Wind war vor dem „Anschluss" Mitglied der Kommunistischen Partei.

 

So erklärte Johann Oblasser, der nach dem 2. Juli 1944 ins KZ Dachau kam, 1952 gegenüber der Bezirkshauptmannschaft Zell am See: „Ich bin am 8. Juli 1944 von der Gestapo Salzburg / Erdmann König / wegen Unterstützung der Widerstandsgruppe Goldegg-Weng / Gewährung von Unterkunft und materielle Unterstützung / verhaftet worden. Die Unterstützung führte ich im Auftrag von Herrn Kaspar Wind, Zementwarenerzeuger in St. Johann in Pongau durch. Herr Wind war Mitglied der kommunistischen Partei und Organisator der Widerstandsgruppe."

 

Erste Vermutung: Kann der „Organisator der Widerstandsgruppe" Kaspar Wind einfach deswegen kein offizielles Denkmal bekommen, weil er damals Kommunist war ?

 

Erklärung von Johann Oblasser / Quelle: Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW)

Punkt 2: Es waren Goldegger Bürger, die aktiv an der Verfolgung der „Widerstandsgruppe Wind" mitwirkten.

 

An erster Stelle ist hier der Gendarmerieinspektor von Goldegg, Anton Peyerl, zu nennen. Als die NSDAP in Österreich verboten war, baute er die NSDAP-„Ortsgruppe" in Goldegg mit auf; dafür sprach ihm nach dem „Anschluss" der Ortsgruppenleiter seine Anerkennung aus. Die Wehrmachtsfahnungsstelle in Salzburg befahl Peyerl kurz vor dem 2. Juli 1944, gegen die Widerstandsgruppe Wind nichts mehr zu unternehmen, um ihre Mitglieder in falsche Sicherheit zu wiegen. Wieviel hatte Peyerl also bis dahin schon gegen die Gruppe unternommen?

 

Dass Peyerl als Gendarmerie-Postenkommandant daran beteiligt war, die Widerstandsgruppe zu verfolgen, das war bekannt. Jetzt wirft aber ein neu aufgefundenes Dokument neues Licht auf die Verstrickung von Goldegger Bürgern in die Vorfälle des 2. Juli 1944: Das Team des Marie-Josenhans-Instituts spürte vor kurzem einen Brief des Dechanten und Ehrenbürgers von St. Johann und Salzburger Ehrendomherrn, Karl Völk, im „Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands" (DÖW) in Wien auf. Karl Völk war 1944 und 1945 Militärpfarrer und besuchte den zum Tode verurteilten Georg Kößner junior „jede Woche einmal und auch öfter" in Zelle 20 des Salzburger Gefangenhauses.

 

Der – später auch so ausgeführte – grausame Plan der Nazis sah so aus: Erst einmal sollte Kößner in dem Glauben gelassen werden, vielleicht begnadigt zu werden; wenn dann einige Monate vergangen waren und die Befreiung Österreichs nähergerückt war, sollte Kößner unmittelbar nach dem Tag, an dem seine Frau das Kind zur Welt gebracht hatte, doch sterben – und seine Frau die Todesnachricht dann auch gleich nach der Geburt ihres Kindes erhalten. Pfarrer Völk beschreibt in seinem Brief an das DÖW vom 25. Februar 1964 die Reaktion Kößners, als ihm die Ablehnung seines Gnadengesuchs verkündet wurde und er den bösen Plan der Nazis durchschaute: „Als Kössner mitgeteilt wurde, dass das Urteil vollzogen wird, war er außer sich; er versuchte nun, dass das Verfahren nochmals aufgenommen wird, aber umsonst." Und aufschlussreich nun der Nachsatz des Pfarrers: „Ausschlaggebend war ein Schreiben von einem Goldegger, der ihn hineingetaucht hat. Dies sagte mir der Feldrichter."

 

Der „hineintauchende" Brief eines Goldegger Bürgers, so sagt es Karl Völk, war also „ausschlaggebend" dafür, dass Kößner nicht – wie etwa Richard Pfeiffenberger – (zu KZ oder Strafkompanie) „begnadigt" wurde, sondern kaltblütig noch im März 1945 erschossen wurde, obwohl er doch die ganzen Monate im Gefängnis auf die Geburt seines Kindes gewartet hatte.

 

Mit seinem Schreiben an das DÖW hat Karl Völk deutlich gemacht, dass Goldegger Bürger nicht nur die Gruppe verfolgten, sondern auch den Tod ihrer Mitglieder wollten.

 

Zweite Vermutung also: Wurde der Gedenkstein „ver-rückt", weil der Stein im Schlosshof Fragen aufwerfen könnte – Fragen nach der Mit-Schuld von Goldegger Bürgern am Schicksal der Opfer des 2. Juli 1944 ?

Erklärung von Karl Völk Seite 1 / Quelle: Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW)
Erklärung von Karl Völk Seite 2 / Quelle: Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW)

Nach diesen zwei Vermutungen noch eine Klarstellung: Einige Opfer des 2. Juli 1944 wurden damals von den Nazis als „Deserteure" im strafrechtlichen Sinne bezeichnet. Heute können wir diese Opfer eigentlich nicht mehr „Deserteure" nennen – sie sind gesetzlich rehabilitiert; ihre Weigerung, für Hitlers Wehrmacht zu kämpfen, ist aus heutiger Sicht nicht strafwürdig; sie haben sich nicht wegen „Desertierens" strafbar gemacht. Daher sollten wir diese Menschen auch nicht mehr „Deserteure" nennen. Es war ihre Leistung, sich von der Hitlerarmee loszusagen – sie haben aber noch mehr getan: Sie haben damals, 1944, allen Menschen im Pongau offen gezeigt, dass die Nazi-Befehle nicht das Papier wert sind, auf dem sie geschrieben sind. So wurden sie für viele Pongauer zum Vorbild. Deswegen ja auch die beinharte Repression – 1000 SS-Mann ins Gebirge, 10 Monate vor Kriegsende. Die Menschen des 2. Juli 1944 kämpften für die Freiheit Österreichs und Europas. Sie waren Freiheitskämpfer. Ihr Gedenkstein ist ein Freiheitskämpfer-Denkmal.

 

Die Nazi-Zeit ist seit dem 8. Mai 1945 zu Ende, auch in Goldegg. Ein geistiges Relikt dieser Zeit ist jedoch eine Sprache, die noch immer Nazi-Vokabeln verwendet. Wir müssen diese irreführenden Vokabeln nicht in den Mund nehmen. An ihrer Stelle gibt es klare Worte - Wörter, die die Nazis nicht gelten ließen. Das Wort „Freiheitskämpfer" gehört dazu. Heute sind wir frei, es zu benutzen. Nehmen wir also lieber dieses Wort.

 

Und noch eine Frage: Mussten sich eigentlich die SS- und Gestapo-Kommandanten Hueber, Hahn, Erdmann und König jemals für ihre Taten vor Gericht verantworten ? Wurden sie zur Rechenschaft gezogen ? Was ist mit ihnen 1945 passiert ?

 

Das Marie-Josenhans-Institut kann hier nur zwei knappe Antworten geben: Wie sich aus einem englischen Dokument des DÖW ergibt, war "Gestapo chief" Georg König im Juni 1946 im Camp Marcus W. Orr in Salzburg interniert. Und: Das Marie-Josenhans-Institut hat ein Heft entdeckt, das Dr. Hubert Hueber ebenfalls als Gefangenen dieses Salzburger Lagers ausweist. Der Inhalt des Hefts: Englische Vokabeln, die der ehemalige Chef der Salzburger Gestapo Hueber offenbar zusammen mit einem Mitgefangenen paukte ... Dieses Heft ist im Besitz des Marie-Josenhans-Instituts.  

 

Marie Josenhans Institut

(Marie Josenhans, 1855-1926, deutsche Sozialarbeiterin und Sozialpolitikerin)

 

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Soonim SHIN

 

Magistra Artium (M. A.)

 

Staatlich anerkannte

Diplom-Sozialarbeiterin (FH)

 

 

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