Goldegg. Eine Gemeinde im Land Salzburg in Österreich. Auch für die "Nachbarn" leicht zu erreichen: Von Frankfurt sind es 7 Stunden mit dem Eurocity bis Schwarzach / St. Veit, und auch von Zürich geht es in 6 Stunden ohne Umsteigen bis Schwarzach; dann sind es nur noch 10 Minuten mit dem Postbus bis Goldegg. Goldegg ist ein Paradies in den Bergen.
Auch noch 1944, im sechsten Kriegsjahr, war ganz Österreich von deutschen und österreichischen Nazis besetzt. Ganz Österreich ? Nicht unbedingt, denn ein Dorf in den Salzburger Alpen leistete mehr oder weniger offenen Widerstand: Das war das Dorf Weng, ab 1938 Teil von Goldegg.
Am 2. Juli 1944, 10 Monate vor Kriegsende, wurde das "Paradies in den Bergen" zur "Hölle in den Bergen": Über 1000 SS-Soldaten und Gestapo-Angehörige hatten das Gebiet um Goldegg abgeriegelt und durchkämmten es. Ihr Auftrag aus Berlin: Der Goldegger Freiheitskämpfer und ihrer Unterstützerinnen und Unterstützer habhaft zu werden, tot oder lebendig. Noch am gleichen Tag starben drei Menschen, viele andere wurden in Polizeigefängnisse und in Konzentrationslager verschleppt, von denen elf noch in den nächsten Monaten - vor der Befreiung - sterben mussten ...
70 Jahre nach diesem "SS-Sturm" sollte ein Gedenkstein der Gemeinde mit den Namen der Opfer im Schlosshof enthüllt werden. Dazu kam es aber am 2. Juli 2014 nicht. Erst am 8. August 2014 wurde der Gedenkstein enthüllt, allerdings nicht im Schlosshof - und auch nicht von der Gemeinde ...
Das Team des Marie-Josenhans-Instituts war am 8. August in Goldegg und dokumentiert an dieser Stelle die Reden von Frau Brigitte Hoefert und von ihrer Tochter Sabine in ihrem vollen Wortlaut.
"Es freut mich sehr, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind und diese Freude mit mir teilen.
Nachdem ein sichtbares Denkmal an die Opfer des „Sturm" vom damaligen Bürgermeister Mayer zweimal versprochen wurde und nichts geschehen ist, habe ich selber die Initiative ergriffen. Die Enthüllung der Gedenktafel für die Opfer des sogenannten „Sturm" am 2. Juli 1944 hatte ich am 70. Jahrestag geplant. Wie Sie wissen, ist dies von maßgeblichen Stellen verhindert worden.
Dass wir heute den Festakt hier vollziehen können, dafür gilt mein besonderer Dank Herrn Andreas Huss von der Salzburger Gebietskrankenkasse. Dass ich den renommierten Bildhauer Anton Thuswaldner gewinnen konnte, war eine Fügung des Schicksals. Er hat mit großem Einfühlungsvermögen diese schlichte, aber aussagekräftige Tafel vorgeschlagen. Die Opfernamen sollen wieder gegenwärtig und mit ihrer Heimaterde verbunden sein. Erinnern möchte ich noch, dass Herr Thuswaldner seine Leistungen ohne Honorar eingebracht hat.
Als Geburtshelfer möchte ich Michael Mooslechner für die wertvolle Zusammenarbeit und Unterstützung danken. Ohne seine Mitarbeit wäre ich manchmal auf verlorenem Posten gewesen. Er sieht diese Arbeit als Fortsetzung seiner Recherchen von 1980 zum Thema „Deserteure von Goldegg" und leistet diese ehrenamtlich. Ich finde das vorbildhaft und danke Dir an dieser Stelle nochmals ganz herzlich.
Dass ich immer wieder Kraft und den Mut aufbringen konnte, dieses Denkmalprojekt trotz zahlreicher persönlicher Verletzungen, die mir in diesem Zusammenhang widerfahren sind, voranzutreiben, verdanke ich einerseits dem Rückhalt, den ich durch meine Kinder Sabine und Günter sowie durch meine Verwandten und Freunde erfahren durfte. Andererseits hat mich meine tiefe Überzeugung, dass all jene, die sich – auf welche Weise auch immer – dem Verbrecherregime der Nazis widersetzten, die Ehre und der Dank nicht vorenthalten bleiben darf, immer wieder ermutigt, diesen herausfordernden Weg unbeirrt weiterzugehen.
Ich verbinde damit die Hoffnung, dass dies den noch ausstehenden Prozess hin zur gelebten Rehabilitierung, zur Wiederaufnahme der Gespräche mit der Ortsgemeinschaft, der sie sich zugehörig fühlten, deren wertvoller Teil sie waren, lebendig werden lässt. Darüber hinaus soll dieser Gedenkstein eine mahnende Erinnerung für die Gegenwart und Zukunft sein; besonders die Jugend soll über die Zeit der NS-Verbrechen informiert werden, ebenso soll er dem aufkeimenden Rechtsruck entgegenwirken.
Wichtig sind mir auch die Namen der Opfer, denn sie sollen nicht weiterhin als „displaced persons" gesehen werden; vielleicht regen sie allmählich ein Umdenken in der Bevölkerung an.
Wir sollen dankbar für fast 70 Jahre Frieden in unserer Heimat sein und diesen durch Herzensbildung auch im Kleinen erreichen und bewahren.
Erwähnen möchte ich noch, dass ich durch die Befürwortung dieses Projekts viele wertvolle Menschen zu meinem Freundeskreis zählen kann.
Aus traurigem Anlass möchte ich noch der Frau Nationalratspräsidentin Barbara Prammer gedenken; sie war maßgeblich daran beteiligt, dass das Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz 2009 in Kraft getreten ist. Zur individuellen Rehabilitierung meines Vaters Karl Rupitsch hat sie bewirkt, dass es als Ergänzung des Gesetzes einen Erlass gibt, wonach Opfer ohne auffindbares Todesurteil auch nach § 1 rehabilitiert sind.
Ich freue mich sehr, dass ich als Festredner Herrn Professor Doktor Walter Manoschek bitten darf, seine Worte an uns zu richten.
Herr Pfarrer Gidi Außerhofer wird die Segnung vornehmen.
An dieser Stelle möchte ich auch noch den Altbauern Herrn Rupert Angerer in unsere Feier gedanklich einschließen; er hat am Heimathof von Karl Rupitsch ein würdiges Gedenken an ihn ermöglicht. Die Nachricht seines Ablebens hat mich vor zwei Tagen erreicht; er wird zur Stunde zu Grabe getragen.
Die musikalische Begleitung gestalten die Herren Dr. Winkler und Kammerer und Herr Hannes Hohla mit seinen Freunden."
"Liebe Mutti,
lieber Michael Mooslechner,
ich danke Euch von ganzem Herzen für Euer Engagement, das Leben der Ungehorsamen wieder aus der Verdrängung, aus dem Vergessen zurückzuholen und so für uns alle spürbar zu machen – das Leben derer, die ihrem Herzen und ihrer Überzeugung gefolgt sind, in Verbundenheit mit diesem wunderschönen Fleck Erde, der ihren Geist, ihre Seele und – karg, aber doch – ihre Körper genährt hat.
Lieber Opa Karl Rupitsch,
schade, dass ich Dich nicht kennenlernen durfte – als Opa aus Fleisch und Blut. Dennoch lebst Du, lebt Dein Vermächtnis in Deinen Kindern, Enkeln, Urenkeln und in allen, die hier versammelt sind, die wir unser Leben in Frieden und Wohlstand gestalten können.
Dir und Euch allen zur Ehre, die Ihr Euer Leben für Menschenwürde, Frieden und Freiheit geopfert beziehungsweise riskiert habt, wollen wir wachsam bleiben und uns dort widersetzen, wo es unser Herz und unser Verstand gebieten.
So nehmen wir Euren Mut und Eure Kraft – Eure Verbundenheit – in uns auf mit der Bitte, dass diese Eigenschaften durch uns und unser Leben wirksam werden für ein lebensbereicherndes Miteinander in der Gesellschaft, für einen lebensbereichernden Umgang mit der Natur und Mutter Erde.
All Eure Zweifel, all Eure Schwächen und Unzulänglichkeiten, Euer Leiden – auch die Schmerzen, die Ihr hinterlassen habt – übergeben wir der Erde, diesem Boden hier, mit der Bitte, dass sie all das, was uns belastet und Unfrieden in uns verursacht, transformiert und verwandelt in Leben.
Möge die Kraft dieses Ortes beitragen, jenseits von Urteilen, jenseits von richtig und falsch den Schmerz zu überwinden und damit einen echten Friedensprozess zu ermöglichen, der geprägt ist von tiefem Verstehen!
Danke."
(Marie Josenhans, 1855-1926, deutsche Sozialarbeiterin und Sozialpolitikerin)
Projekte für die Öffentlichkeit.
Soonim SHIN
Magistra Artium (M. A.)
Staatlich anerkannte
Diplom-Sozialarbeiterin (FH)
Kaiser-Karl-Ring 6
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